Eine besondere Begegnung an den Kriegsgräbern
Die Schule in Dömitz ist seit der Wende ein Unterstützer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Wir beteiligen uns an der jährlichen Haus- und Straßensammlung zur Erhaltung der Kriegsgräber. Außerdem helfen wir im Herbst bei den Pflegearbeiten in Dömitz und Groß Schmölen und gestalten jeweils zum Volkstrauertag eine Gedenkveranstaltung auf der Kriegsgräberstätte.
Als ich am Vortag der Gedenkveranstaltung 2022 noch einmal das Laub von den Gräbern harkte, kam ein Mann und legte ein Gesteck am Grab von Walter Wessling ab. Wir kamen ins Gespräch und so erfuhr ich von Herrn Schubert aus Appen (Kreis Pinneberg), dass Walter Wessling sein Großvater war, den er leider nie kennenlernen durfte. Es ist ihm aber ein Bedürfnis wenigstens zwei Mal im Jahr an sein Grab zu kommen. Herr Schubert war sehr erfreut und gerührt, dass wir als Schule am Volkstrauertag der hier liegenden Toten gedenken. Er erzählte mir einiges zum Leben seines Großvaters. Ich bat ihn dann, mir doch per E-Mail diese Infos zuzusenden, eventuell auch ein Foto, damit ich das in die Gedenkveranstaltung mit einbinden kann. Er sagte es mir zu, meinte aber, es könne sehr spät werden. Am folgenden Morgen schaute ich gleich in meinem E-Mail-Fach nach. Herr Schubert hatte Wort gehalten und mir noch in der Nacht eine lange Nachricht gesendet.
Aus der Nachricht von Herrn Schubert
Er schrieb mir, dass ihn unser Engagement emotional berührt hätte. So erfuhr ich nun im Detail, dass sein Großvater aus Pommern stammte, verheiratet war und vier Töchter hatte. Eine der Töchter war seine Mutter. Der Großvater war Reichsbahner. Als die sowjetischen Truppen 1945 immer näher rückten, wurde auch Walter Wessling mit immerhin 53 Jahren eingezogen und kam zu einer Marienartillerieeinheit auf Rügen. Seine Frau floh mit den vier Töchtern über Swinemünde, Stralsund, Plön bis nach Flensburg. Weiter schrieb er: „Emma, meine Oma, hatte bis zu dem Zeitpunkt keine Kenntnis über den Verbleib ihres Mannes. Erst Jahre später gab es traurige Nachrichten über Kanäle des Roten Kreuzes. So erhielt sie auch Kenntnis über die Grabstätte ihres Mannes in Dömitz. Sie konnte die Ruhestätte nie besuchen. Erst nach dem Fall der Mauer sind ihre Töchter, mit Familien, nach Dömitz gefahren. Walter sollte leider nie erfahren, dass auch fünf Enkelkinder sein Erbe sind.“ Walter Wessling ist vermutlich im damaligen Dömitzer Krankenhaus an Typhus gestorben. Ein Foto hat Herr Schubert leider nicht finden können.
Nun waren wir in der Lage, auf unserer Gedenkveranstaltung schon zu zwei dort Begrabenen etwas Persönliches sagen zu können, und zwar aus Erzählungen ihrer Nachkommen. Dadurch ist das Ganze gerade für die Schülerinnen und Schüler emotional erlebbar. Seit mehreren Jahren haben wir nämlich schon Kontakt zu Herrn Landowski, dem Sohn von Georg Kühn, von dem wir sogar ein Foto haben.
Text: Katrin Herrmann
Fotos: Katrin Herrmann und Martin Görlitz
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